Neuroophthalmologische Diagnostik

Die Neuroophthalmologie ist ein Spezialgebiet der Augenheilkunde. Sie beschäftigt sich mit der Diagnostik und Therapie von neurologisch bedingten Sehstörungen, wie zum Beispiel Doppelbilder, Augenbewegungsstörungen, Augenzittern, Gesichtsfeldausfälle, Pupillenstörungen, Kopfschmerzen, uvm.

Sowohl bei Erwachsenen wie auch bei Kindern können vielfältige Probleme – wie Bildzittern und Unscharfsehen, sowie Kopfschmerzen – ihre Ursache in einem Augenstellungsfehler haben.

Bei erworbenen Schielformen ist diese augenärztliche Untersuchung zur Diagnosestellung essentiell, da auf deren Basis eine weitere Abklärung und Therapie eingeleitet werden kann.

Als weitere Ursachen kommen unter anderem Schilddrüsenerkrankungen, Augen- und Hirntumore, Multiple Sklerose, Diabetes mellitus, Durchblutungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen und genetische Erkrankungen in Frage.

Nystagmus – Augenzittern

Das Wort Nystagmus kommt aus dem Altgriechischen (nusta´zein = blinzeln). Man bezeichnet damit rhythmische Augenbewegungen, die unwillkürlich ohne bewusste Einflussnahme des Patienten auftreten. Nystagmus tritt auch beim Gesunden auf.

Es gibt physiologische Nystagmen, also Formen, die beim Gesunden in bestimmten Situationen auftreten.

Optokinetischer Nystagmus

Hierzu gehört der „Eisenbahnnystagmus“ (optokinetischer Nystagmus), der auftritt, wenn ein bewegtes Objekt beobachtet wird. Die langsame Komponente der Augenbewegungen folgt dem Objekt, die schnelle Komponente springt zurück, um das nachfolgende Objekt zu fixieren.

Endstellungsnystagmus

Ein Endstellungsnystagmus tritt bei extremem Seitwärtsblick spätestens nach 30 Sekunden auf, und stellt eine Blickhalteschwäche dar. Die schnelle Komponente ist in Blickrichtung gerichtet. Je müder der Patient, desto geringer die Blickauslenkung, bei welcher Nystagmus auftritt. Ein Nystagmus bei geringem Seitblick ist nicht normal. Er ist aber bei vielen Patienten mit frühkindlichem Schielbeginn zu finden und gilt daher als typisches Symptom des „frühkindlichen Schielsyndroms”.

Nystagmus Latens

Bei Patienten mit Schielbeginn in den ersten 2 Lebensjahren findet sich darüber hinaus häufig das Phänomen, dass Augenzittern auftritt, wenn ein Auge abgedeckt wird. Wenn dann nur noch mit dem linken Auge fixiert wird, rucken die Augen nach links (immer nach außen, temporal).

Die Ursache für dieses Phänomen ist wissenschaftlich nicht geklärt. Vermutlich spielt aber der bei dem frühkindlichen Innenschielen erhöhte Konvergenztonus eine Rolle. Das nach dem Abdecken des anderen Auges fixierende Auge bekommt die Neigung langsam nasenwärts weg zu rutschen und muss durch Augenrucke nach außen wieder auf das Objekt ausgerichtet werden.

Ausgeprägter Latensnystagmus nach Abdeckung des rechten Auges. Kennzeichnend ist, dass der Nystagmus sistiert, sobald wieder beide Augen fixieren können.

Kongenitaler Nystagmus

Der primäre kongenitale Nystagmus ist ein eigenständiges Krankheitsbild. Er besteht häufig für das ganze Leben und ist meistens nicht mit zusätzlichen anderen Erkrankungen verbunden. Häufig findet sich aber in den ersten Lebensmonaten und -jahren eine Besserung, die durch die einhergehende Reifung des beidäugigen Sehens bedingt ist. Eine eindeutige Vererbung kommt vor (zum Beispiel X-chromosomal-rezessiv), ist aber eher selten der Fall.

Charakteristika sind Verstärkung bei konzentrierter Fixation auf ein Objekt, Abschwächung bei beidäugiger Betrachtung naher Gegenstände (Konvergenz), nicht Vorhandensein im Schlaf und Kopfwackeln. Häufig ist die Intensität blickrichtungsabhängig, dabei ist die Blickrichtung, bei der das Augenzittern am geringsten ist, nicht immer die Geradeausrichtung. Bei Patienten mit Nystagmusberuhigung im Seitblick resultiert häufig eine Kopfzwangshaltung.

Okuläre Nystagmus

Der dem primären kongenitalen Nystagmus im Erscheinungsbild sehr ähnliche okuläre Nystagmus ist sekundär, das heißt er tritt in Folge einer anderen Augenerkrankung auf. Jede angeborene oder sehr früh erworbene schwere, beidseitige Sehstörung führt zu einem kongenitalen Nystagmus. Die häufigsten Ursachen sind Katarakt, Albinismus, zentrale Netzhautnarbe, Aniridie und Optikusatrophie. Bei Auftreten der Störung in den ersten drei Lebensmonaten ergeben sich vorwiegend weite Pendelbewegungen, die bei späterem Beginn kleiner werden.

Bei Entwicklung nach dem 6. Monat entsteht mehr ein Rucknystagmus.

Spasmus nutans

Eine seltene Sonderform des kongenitalen Nystagmus ist der Spasmus nutans, der sich häufig spontan komplett zurückbildet. Er beginnt meist in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres und ist typischerweise nicht auf beiden Augen gleich stark ausgeprägt, also asymmetrisch. Charakteristisch ist auch eine höhere Frequenz der Augenbewegungen und das – zusätzliche – Auftreten vertikaler Bewegungen (bei Auf- oder Abblick). Da in seltenen Fällen auch ein kindlicher Hirntumor zu diesen Symptomen führen kann, ist zum Ausschluss eine Magnetresonanztomographie des Kopfes sinnvoll.

Die wichtigsten Nystagmusformen

Nystagmusformen bei gesunden Augen

  • Entstellnystagmus
    Er tritt bei extremen Blickpositionen auf und ist charakterisiert durch einen feinen Rucknystagmus.

  • Optokinetischer Nystagmus
    Hierbei handelt es sich um einen Nystagmus, der auftritt, wenn sich wiederholende Zielobjekte über das Gesichtsfeld bewegen. Dabei folgen die Augen in der langsamen Phase dem Zielobjekt und machen eine schnelle Bewegung, wenn sie das nächste Objekt wahrnehmen. Es kommt zum Rucknystagmus.

  • Vestibulärer Nystagmus
    Diese Form kann durch kalorische Ohrspülungen ausgelöst werden. Bei Spülung des rechten Ohres mit warmem Wasser entwickelt sich ein Nystagmus mit der schnellen Phase nach rechts und bei Spülung mit kaltem Wasser mit der schnellen Phase nach links. Insgesamt dienen alle physiologischen Nystagmen der Erhaltung des scharfen Sehens.

 

Krankhafte Nystagmusformen

  • Angeborener Nystagmus
    Er besteht meist nicht von Geburt an, sondern entwickelt sich in den ersten drei Lebensmonaten. Typischerweise ist Patienten mit angeborenem Nystagmus ihr Augenzittern nicht bewusst.
    Man unterscheidet motorische und sensorische Typen.
    Beim motorischen Nystagmus liegt keine organische Schädigung vor und die Sehschärfe liegt zwischen 50–80% der normalen Sehschärfe. Zu den motorischen Nystagmen zählt auch der Nystagmus latens, der beim frühkindlichen Schielsyndrom auftreten kann und der Spasmus nutans, der sehr selten ist und mit einem Kopfnicken kombiniert ist.
    Der sensorische Nystagmus entsteht durch eine früh aufgetretene Störung des Sehvermögens, z. B. bei angeborenem Grauen Star oder Albinismus. Die Sehschärfe ist bei dieser Form mit 20–30 % des normalen Sehvermögens deutlich schlechter als beim motorischen Nystagmus.
    Bei motorischem und sensorischem Nystagmus kann sich die Intensität mit der Blickrichtung ändern und eine sogenannte “Neutralzone” vorhanden sein, in der die Augen besonders ruhig sind. Oft nehmen die Patienten dann eine kompensatorische Kopfhaltung ein und es besteht dann z.B. die Möglichkeit der Therapie durch eine Augenmuskeloperation. Hierbei ist das Ziel, die ruhigste Stellung der Augen bei Geradeausblick herzustellen.

  • Erworbener Nystagmus
    Dieser Nystagmus unterscheidet sich von den angeborenen Formen dadurch, dass der Patient ihn als wackeln von Bildern wahrnimmt und als störend empfindet. Er tritt meistens bei neurologischen Störungen oder Erkrankungen im Bereich des Gleichgewichtssystems auf.
    Grob zu unterscheiden sind ein Blickrichtungsnystagmus vom vestibulären Spontannystagmus.
    Blickrichtungsnystagmus
    Es handelt sich um einen Rucknystagmus, der bei Blickwendungen auftritt und bei dem die schnelle Bewegung immer in die jeweilige Blickrichtung schlägt. Ursache kann eine Hirnstamm- oder Kleinhirnverletzung sein. Er kommt aber auch als Nebenwirkung verschiedener Medikamente (zum Beispiel Schlaf- und Beruhigungsmittel) vor.
    Vestibulärer Spontannystagmus
    Bei diesem Nystagmus besteht das Augenzittern bei Blick geradeaus und kann, je nach Ursache (Erkrankung des Gleichgewichtsorgans oder des Nervus vestibularis) mit Schwindel oder Hörstörungen kombiniert sein.

Therapie des Nystagmus

In etwa der Hälfte der Fälle des angeborenen Nystagmus gibt es die Möglichkeit eine Besserung durch eine Operation herbeizuführen. Ziel der Operation ist es, den Nystagmus zu mindern und die durch den Nystagmus bewirkte Kopfzwangshaltung zu bessern. Ich operiere mit viel Erfahrung ambulant in dem modern ausgestatteten Eingriffsraum meiner Ordination. Nach der Operation wird kein Verband angelegt, jedoch sind antibiotische Augentropfen einzutropfen.

Im Wesentlichen bestehen zwei Operationsprinzipien:

Bei Patienten mit Nystagmusberuhigung im Seitblick und Kopfzwangshaltung wird durch eine Verschiebung der Augen mit der Kestenbaumoperation dieser Zustand für den Geradeausblick nutzbar gemacht und gleichzeitig die Kopfzwangshaltung korrigiert.

Bei Patienten mit Nystagmusberuhigung bei Nahblick kann durch eine Operation nach dem Prinzip der artifiziellen Divergenz die Konvergenzinnervation postoperativ erhöht werden und somit auch bei Fernblick eine Nystagmusberuhigung erzielt werden.